Montréal olé


Es ist besser keine Wale zu sehen als keine Wahl zu haben.

Seitdem der Sommer langsam aber beständig von dannen zieht, bekommen die Montrealer eine ganz neue Dynamik, die sich "Zeit bevor der Winter kommt" nennt: es gilt JETZT noch die passendere Wohnung zu finden, JETZT die Wintersachen kaufen und vor allem JETZT all die Dinge machen, die für den Sommer geplant waren, bevor der erste Schnee unerwartet kommt. So ist es klar, dass sich die deutschen Fremdsprachenassistenten mitreißen lassen, schließlich sind die Bucket-Lists lang und wir haben so, so wenig vom kanadischen Sommer mitbekommen.
Da wir als Gruppe noch relativ neu sind, gibt es eine unglaubliche Gruppendynamik: wenn zwei Leute entschlossen sind, Wale beobachten zu fahren, wird daraus kurzerhand eine Gruppe aus zehn. Leichte Unentschlossenheit kommt auf, als wir von unserer Koordinatorin Kerstin eine Email bekommen mit der Einladung zu einer geplanten Tour an den selben Ort für alle Fremdsprachenassistenten , die aber einige Wochen später stattfinden soll. Aber wie schon gesagt, wenn zumindest zwei entshclossene Leute bleiben, findet alles statt. Also auf nach Tadoussac!
Tadoussac ist ein 840 Seelen Dorf, an dem der wo der Saguenay- Fjörd auf den Fluss St Laurent trifft und sich Süß- und Salzwasser vermischen. Perfekt für die Entstehung von Phytoplankton und somit perfekter Nahrungsort für Wale. Das macht Tadoussac zu einem perfekten Ort für walbeobachtende Touristen, vor allem was Beluga-Wale angeht ( laut Wikipedia "einer der besten Walbeobachtungsplätze" der Welt, das heißt doch schon was)und sogar noch perfekter für die Einwohner und Agenturen, die sich ein goldenes Näschen mit diesen Walen verdienen. Und auf wessen Bucket-List steht nicht "mit den Walen schwimmen"?
Etwas 500km trennen uns Montrealer von den Walen Tadoussacs, und somit ein ganzer Roadtrip. Da wir die 500 miles nicht gehen wollten, muss man sich auf Autofahrfähige Leute verlassen, die man kaum kennt. Bedeutung: halber Kofferraum Nervennahrung, regelmäßiger Fahrertausch und die Nichtfahrer (ja, hier bin ich) sind in der Verantwortung der Navigation. Was die Navigation etwas schwierig macht ist die atemberaubende, skandinavisch angehauchte Landschaft. Gekennzeichnete Gebiete der Elchwanderung, riesige Wälder mit durchsitigen Seen - Kanada kann sich schon sehen lassen. Die Architektur schwankt etwas zwischen Skandinavien und Frankreich, jeder kann hier eben das sein, was er will.

Die unzähligen, mit inspirierenden Bildern gespickten Artikel, die sagen, dass man am besten einen Menschen kennenlernt, wenn man mit ihm reist, haben absolut recht. Man lernt die Menschen von einer ganz anderen Seite kennen und merkt auch wie unterschiedlich wir doch alle denken, reisen und leben. Für mich ist es ganz normal, auf so einem Trip eine Meenge Essen mitzunehmen, und plötzlich bin ich der Mensch mit dem meisten Essen (mit Abstand). Freud weiß wahrscheinlich die Tiefenschichten meiner Persönlichkeit danach zu deuten, aber Instant Nudeln machen zu jeder Tageszeit satt, also who cares?
Die Kehrseite einer so neuen Gruppe ist aber auch, dass alles etwas länger dauert und jeder sich ein Bisschen einbringen will, man am Ende aber nur eine Entscheidung braucht und nur einen Plan. Ob die zwei Autos als Karawane hintereinander fahren oder jeder für sich navigiert und ob man dann zusammen Pipipausen macht, ist manchen vollkommen egal und anderen eben nicht. Jeder ist seinen Weg gewöhnt und so gibt es den einen oder anderen Augenroller. Außerdem wurden die Aufgaben doch nicht so klar verteilt wie gedacht: dank Google muss heute fast nichts mehr geplant werden. Erst auf der Fahrt fällt mir auf, dass keiner die Route recherchiert hat. Wir alle verlassen uns blind auf die App und merken erst unterwegs, dass es eine Fähre gibt, die wir nehmen müssen. Die wir vermutlich erst gegen Mitternacht erreichen werden. Oops ! Aber nach gefühlt 1000 Mal "Was geht" von Fanta Vier und einigen kleinen Google-Navi-Patzern habens wir trotzdem geschafft.

Tadoussac erinnert mich ein wenig an die Cameron Highlands in Malaysia. Die Menschen fahren dorthin nur, um die Teeplantagen zu sehen, viel mehr gibt es dort auch nicht. Entsprechend ist die Stadt mit unzähligen kleinen Cafés und Schlafmöglichkeiten ausgestattet, sie scheint nur für Touris zu existieren. Und unterschiedlichen Reiseanbietern, die Tagestouren zu gleichen Preisen verkaufen. Ganz genauso ist Tadoussac, nur dass hier eben die Wale alles bestimmen. Selbstverständlich findet sich kein einziger gebürtiger Kanadier in diesem Dorf (außer denen, die in der Tourismusbranche arbeiten), 90% der Touris sind Franzosen, wir haben genau drei ältere deutsche Frauen getroffen und hier und da findet sich der eine oder andere Osteuropäer. Aber wir sind ja auch für die Wale gekommen, nicht für Einheimische.
Wie gesagt, Tadoussac ist exklusiv auf Touris zugeschnitten und was versprochen wird, wird auch geleistet: für genügend Kleingeld wird man mit übergroßen, aber Wasser- und Windfesten Klamotten ausgestattet, in ein größeres Motorausgestattetes Schlauchboot gesetzt und von einem erfahrenerem Seemann (der diesen Job vermutlich schon seit 40 Jahren hat) an die Stellen gefahren, wo es die meisten Wale zu geben scheint. Selbstverständlich kann man auch sehr originell sein und sich ein Kanu mieten und selbst auf die Suche nach Walen schippern. Oder noch weiter in den Norden auf der "Route des Balaines" (-Walroute. Es gibt auch eine Route des Montaignes -Bergroute. Die Kanadier scheinen recht konkret und einfach zu sein in so Dingen. ) fahren. Aber das Wasser ist inzwischen kalt, und so sehr ich mit Walen schwimmen mag, will ich nicht wie Pinocchios Onkel/Opa/Vater enden oder Jonah, selbst wenn Gott den Wal in diesem Fall als eine Art Transportmittel einsetzte, damit Jonah das Volk bekehren konnte. Bilanz der Walsichtungstour: viele, bis auf einen Meter an uns ran schwimmende Zwergwale (die nicht besonders zwergähnlich sind), ein Belugawahl und superviele Seelöwen (so viel süßer als Wale! Ich habe gelogen, tatsächlich sind Seelöwen auf meiner Bucket-List). Doch kein Wal konnte mit den Wäldern mithalten, dem Karibu-Wasserfall und der unglaublichen Atmosphäre, die aufkommt, wenn man mit 10 Leuten in einem kleinen Boot mitten im Nirgendwo ist.

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17 hoofdstukken

16 apr. 2020

Vier. Kanadische Natur. Erste Annäherung.Folge der Route der Baleines

september 20, 2015

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Tadoussac, QC und Montréal, QC


Es ist besser keine Wale zu sehen als keine Wahl zu haben.

Seitdem der Sommer langsam aber beständig von dannen zieht, bekommen die Montrealer eine ganz neue Dynamik, die sich "Zeit bevor der Winter kommt" nennt: es gilt JETZT noch die passendere Wohnung zu finden, JETZT die Wintersachen kaufen und vor allem JETZT all die Dinge machen, die für den Sommer geplant waren, bevor der erste Schnee unerwartet kommt. So ist es klar, dass sich die deutschen Fremdsprachenassistenten mitreißen lassen, schließlich sind die Bucket-Lists lang und wir haben so, so wenig vom kanadischen Sommer mitbekommen.
Da wir als Gruppe noch relativ neu sind, gibt es eine unglaubliche Gruppendynamik: wenn zwei Leute entschlossen sind, Wale beobachten zu fahren, wird daraus kurzerhand eine Gruppe aus zehn. Leichte Unentschlossenheit kommt auf, als wir von unserer Koordinatorin Kerstin eine Email bekommen mit der Einladung zu einer geplanten Tour an den selben Ort für alle Fremdsprachenassistenten , die aber einige Wochen später stattfinden soll. Aber wie schon gesagt, wenn zumindest zwei entshclossene Leute bleiben, findet alles statt. Also auf nach Tadoussac!
Tadoussac ist ein 840 Seelen Dorf, an dem der wo der Saguenay- Fjörd auf den Fluss St Laurent trifft und sich Süß- und Salzwasser vermischen. Perfekt für die Entstehung von Phytoplankton und somit perfekter Nahrungsort für Wale. Das macht Tadoussac zu einem perfekten Ort für walbeobachtende Touristen, vor allem was Beluga-Wale angeht ( laut Wikipedia "einer der besten Walbeobachtungsplätze" der Welt, das heißt doch schon was)und sogar noch perfekter für die Einwohner und Agenturen, die sich ein goldenes Näschen mit diesen Walen verdienen. Und auf wessen Bucket-List steht nicht "mit den Walen schwimmen"?
Etwas 500km trennen uns Montrealer von den Walen Tadoussacs, und somit ein ganzer Roadtrip. Da wir die 500 miles nicht gehen wollten, muss man sich auf Autofahrfähige Leute verlassen, die man kaum kennt. Bedeutung: halber Kofferraum Nervennahrung, regelmäßiger Fahrertausch und die Nichtfahrer (ja, hier bin ich) sind in der Verantwortung der Navigation. Was die Navigation etwas schwierig macht ist die atemberaubende, skandinavisch angehauchte Landschaft. Gekennzeichnete Gebiete der Elchwanderung, riesige Wälder mit durchsitigen Seen - Kanada kann sich schon sehen lassen. Die Architektur schwankt etwas zwischen Skandinavien und Frankreich, jeder kann hier eben das sein, was er will.

Die unzähligen, mit inspirierenden Bildern gespickten Artikel, die sagen, dass man am besten einen Menschen kennenlernt, wenn man mit ihm reist, haben absolut recht. Man lernt die Menschen von einer ganz anderen Seite kennen und merkt auch wie unterschiedlich wir doch alle denken, reisen und leben. Für mich ist es ganz normal, auf so einem Trip eine Meenge Essen mitzunehmen, und plötzlich bin ich der Mensch mit dem meisten Essen (mit Abstand). Freud weiß wahrscheinlich die Tiefenschichten meiner Persönlichkeit danach zu deuten, aber Instant Nudeln machen zu jeder Tageszeit satt, also who cares?
Die Kehrseite einer so neuen Gruppe ist aber auch, dass alles etwas länger dauert und jeder sich ein Bisschen einbringen will, man am Ende aber nur eine Entscheidung braucht und nur einen Plan. Ob die zwei Autos als Karawane hintereinander fahren oder jeder für sich navigiert und ob man dann zusammen Pipipausen macht, ist manchen vollkommen egal und anderen eben nicht. Jeder ist seinen Weg gewöhnt und so gibt es den einen oder anderen Augenroller. Außerdem wurden die Aufgaben doch nicht so klar verteilt wie gedacht: dank Google muss heute fast nichts mehr geplant werden. Erst auf der Fahrt fällt mir auf, dass keiner die Route recherchiert hat. Wir alle verlassen uns blind auf die App und merken erst unterwegs, dass es eine Fähre gibt, die wir nehmen müssen. Die wir vermutlich erst gegen Mitternacht erreichen werden. Oops ! Aber nach gefühlt 1000 Mal "Was geht" von Fanta Vier und einigen kleinen Google-Navi-Patzern habens wir trotzdem geschafft.

Tadoussac erinnert mich ein wenig an die Cameron Highlands in Malaysia. Die Menschen fahren dorthin nur, um die Teeplantagen zu sehen, viel mehr gibt es dort auch nicht. Entsprechend ist die Stadt mit unzähligen kleinen Cafés und Schlafmöglichkeiten ausgestattet, sie scheint nur für Touris zu existieren. Und unterschiedlichen Reiseanbietern, die Tagestouren zu gleichen Preisen verkaufen. Ganz genauso ist Tadoussac, nur dass hier eben die Wale alles bestimmen. Selbstverständlich findet sich kein einziger gebürtiger Kanadier in diesem Dorf (außer denen, die in der Tourismusbranche arbeiten), 90% der Touris sind Franzosen, wir haben genau drei ältere deutsche Frauen getroffen und hier und da findet sich der eine oder andere Osteuropäer. Aber wir sind ja auch für die Wale gekommen, nicht für Einheimische.
Wie gesagt, Tadoussac ist exklusiv auf Touris zugeschnitten und was versprochen wird, wird auch geleistet: für genügend Kleingeld wird man mit übergroßen, aber Wasser- und Windfesten Klamotten ausgestattet, in ein größeres Motorausgestattetes Schlauchboot gesetzt und von einem erfahrenerem Seemann (der diesen Job vermutlich schon seit 40 Jahren hat) an die Stellen gefahren, wo es die meisten Wale zu geben scheint. Selbstverständlich kann man auch sehr originell sein und sich ein Kanu mieten und selbst auf die Suche nach Walen schippern. Oder noch weiter in den Norden auf der "Route des Balaines" (-Walroute. Es gibt auch eine Route des Montaignes -Bergroute. Die Kanadier scheinen recht konkret und einfach zu sein in so Dingen. ) fahren. Aber das Wasser ist inzwischen kalt, und so sehr ich mit Walen schwimmen mag, will ich nicht wie Pinocchios Onkel/Opa/Vater enden oder Jonah, selbst wenn Gott den Wal in diesem Fall als eine Art Transportmittel einsetzte, damit Jonah das Volk bekehren konnte. Bilanz der Walsichtungstour: viele, bis auf einen Meter an uns ran schwimmende Zwergwale (die nicht besonders zwergähnlich sind), ein Belugawahl und superviele Seelöwen (so viel süßer als Wale! Ich habe gelogen, tatsächlich sind Seelöwen auf meiner Bucket-List). Doch kein Wal konnte mit den Wäldern mithalten, dem Karibu-Wasserfall und der unglaublichen Atmosphäre, die aufkommt, wenn man mit 10 Leuten in einem kleinen Boot mitten im Nirgendwo ist.

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